Wechselwirkungen


Zahlreiche Inhaltsstoffe des Tabakrauchs verändern die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften der Arzneimittel, die Raucher einnehmen. So sind die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe im Tabakrauch (Benzpyren, Anthracen, Phenantren usw.) metabolische Induktoren der hepatischen Cytochrome P450 (CYP) 1A1, 1A2 und eventuell 2E1. Sie fördern die Glukuronidierung. Kohlenmonoxid induziert das CYP 2D6. Nikotin wird durch das CYP 2A6 metabolisiert, scheint jedoch nicht die CYP Enzyme in einem klinisch signifikanten Masse zu induzieren. Nikotin ruft jedoch pharmakodynamische Veränderungen hervor.

 

Pharmakokinetische Wechselwirkungen (WW) Tabakrauch mit Arzneimittel

Die meisten pharmakokinetischen Interaktionen zwischen Tabakrauch und Arzneimittel resultieren aus einer Induktion des Metabolismus' durch den Tabakrauch. Für folgende Arzneimittel (mit enger therapeutischer Breite) kann der durch Tabakrauch induzierte Metabolismus klinisch signifikant sein: Clozapin, Flecainid, Fluvoxamin, Haloperidol, Imipramin, Koffein, Olanzapin, Pentazozin, Propranolol, Theophyllin, Tacrin, Verapamil, Warfarin.

Clozapin (1A2-Substrat) und Olanzapin (1A2- und 2D6-Substrat)
Für atypische Neuroleptika wie Olanzapin oder Clozapin haben verschiedene Studien eine um bis zu 98 % erhöhte Clearance bei Rauchern nachgewiesen. Publizierte Fälle berichten eine 20-40% tiefere Serumkonzentration für Clozapin bei Rauchern im Vergleich zu Nichtrauchern. Umgekehrt wurden bei Patienten, die mit dem Rauchen aufgehört hatten, bei gleicher Dosierung zweifach höhere Chlozapinspiegel gemessen als vor der Entwöhnung. Der Metabolismus unterscheidet sich jedoch von Patient zu Patient stark (v.a. Lebensalter, Geschlecht).

  • Folgen für die Therapie beim Rauchstopp: die Dosis muss um ca. 36% innerhalb von einer Woche erniedrigt werden

Flecainid
Eine Metaanalyse zu Flecainid zeigte eine erhöhte Clearance (um 61 %) bei Rauchern.

  • Folgen für die Therapie: Dosiserhöhungen sind häufig erforderlich (17 %), um die Arrhythmie zu beherrschen.
  • Folgen für die Therapie bei Rauchstopp: eine Dosisreduktion kann nötig sein.

Fluvoxamin (1A2-Inhibitor)
Für Fluvoxamin werden bei Rauchern eine um ca. 30% verringerte Fläche unter der Kurve und eine niedrigere Maximalkonzentration gemessen, da der Metabolismus um ca. 25% zunimmt. Die Halbwertszeit und vor allem die klinischen Ergebnisse bleiben jedoch unbeeinflusst.

  • Folgen für die Therapie bei Rauchstopp: Beobachtung von unerwünschten Wirkungen.

Koffein (1A2-Substrat)
Der Koffeinmetabolismus wird bei Rauchern durch Induktion des CYP 1A2 um 60-70% gesteigert. Bei Schwangeren und Alkoholabhängigen wird dieser Effekt jedoch gehemmt.

  • Folgen für die Therapie beim Rauchstopp: es ist sinnvoll, den Patienten auf den höheren Koffeinspiegel hinzuweisen (Gefahr der Hypervigilität, Nervosität, Schlaflosigkeit), der durch dieselbe Menge Kaffee erreicht wird, und ihm zu raten, weniger Kaffee und, bei Schlaflosigkeit, ab dem Nachmittag nur noch koffeinfreien Kaffee zu trinken.

Haloperidol (2D6-Substrat bei tiefen Konz., 3A4-Substrat bei hohen Konz.)
Die Clearance von Haloperidol ist bei Rauchern erhöht (um 44 %).

  • Folgen für die Therapie: Klinisches Monitoring.

Imipramin (1A2-, 2C19-, 2D6- und 3A4-Substrat)
Trizyklische Antidepressiva (Nortriptylin, Imipramin, Amitryptilin usw.) werden hauptsächlich durch CYP 2D6 metabolisiert, das seinerseits durch Kohlenmonoxid induziert wird. Verschiedene Studien belegen eine niedrigere Gleichgewichtskonzentration bei Rauchern als bei Nichtrauchern, doch häufig bleibt die freie Fraktion des Medikaments unverändert, und die klinischen Auswirkungen sind angesichts der grossen therapeutischen Breite kaum sichtbar.

Propranolol (1A2-Substrat)
Eine um ca. 77% erhöhte Clearance infolge einer Induzierung der Glukuronidierung wurde für Propranolol bei Rauchern beobachtet. Bei fettlöslichen Betablockern wie Propranolol, Labetolol oder Metoprolol ist ein vermehrter First-Pass-Metabolismus in der Leber zu beobachten.

  • Folgen für die Therapie beim Rauchstopp: Beobachtung von Intoxikationszeichen beim Rauchstopp (Bradykardie, Müdigkeit, Schwindel); Verschreibung von wasserlöslichen oder wenig metabolisierten Betablockern.

Tacrin (1A2-Substrat)
Tacrin wird bei Rauchern durch Induktion des CYP 1A2 signifikant schneller metabolisiert, die Halbwertszeit kann sich bis auf die Hälfte verkürzen. Plasmakonzentrationen wurden bei Rauchern gemessen, die nur ein Drittel so hoch waren wie bei Nichtrauchern.

  • Folgen für die Therapie beim Rauchstopp: Eine Dosisminderung um ca. das 3-Fache ist nötig.

Theophyllin (1A2-Substrat)
Die Halbwertszeit ist bei Rauchern bis zu 50 % verkürzt und die Clearance um ca. 36% erniedrigt, insbesondere aufgrund der Induktion von CYP1A2.

  • Folgen für die Therapie: Die Dosierung ist bei Rauchern anzupassen und im Vergleich zu Nichtrauchern um 30–50 % zu erhöhen.
  • Folgen für die Therapie bei Rauchstopp: erhöhte Aufmerksamkeit ist geboten. Zur Vermeidung einer Überdosierung und wegen der geringen therapeutischen Breite wird empfohlen, die Dosierung um 25-33% zu erniedrigen und den Theophyllinspiegel 1–2 Wochen, nachdem der Patient mit dem Rauchen aufgehört hat, im Blut zu bestimmen.

Verapamil (1A2-Substrat)
Ein Rauchstopp kann die Clearance um das 8-fache senken.

  • Folgen für die Therapie beim Rauchstopp: Beobachtung von Intoxikationszeichen (Bradykardie, Müdigkeit, Schwindel)

Warfarin (1A2-Substrat)
Bei Rauchern wurde eine leicht erhöhte Clearance festgestellt (ca. 13 %).

  • Folgen für die Therapie beim Rauchstopp: eine Dosisreduktion um 14-23% kann notwendig sein.

 

Tabelle: Wichtige Psychopharmaka, deren Abbau durch Tabakrauch induziert wird
(modifiziert nach Desai et al. 2001; Olivier et al. 2007, aus Batra et al. 2014 und Rüther et al. 2014)

Antidepressiva

Agomelatin
Amitriptylin
Clomipramin
Duloxertin
Fluvoxamin
Imipramin
Mirtazapin
Nortriptylin
Reboxetin
Sertralin
Trazodone

Antipsychotika

Aripiprazol
Chlorpromazin
Clozapin
Fluphenazin
Haloperidol
Olanzapin
Perazin
Quetiapin
Risperidon
Tiotiexene
Zotepin

Anxiolytika

Alprazolam
Clonazepam
Diazepam
Lorazepam
Oxazepam
Triazolam

Andere

Carbamazepin
Chlordiazepoxid
Propranolol

 

Pharmakodynamische WW Tabakrauch mit Arzneimittel

Die klinisch signifikantesten pharmakodynamischen Interaktionen betreffen die oralen Kontrazeptiva und die inhalativen Kortikosteroide. Die meisten PD Interaktionen reflektieren die Effekte von Nikotin: Inhibition der Diurese, Verzögerung der Geschwürheilung, Beeinträchtigung der subkutanen Resorption, Beeinflussung der Proteinbindung und Stimulation der Katecholaminefreisetzung.

Analgetika
Die Schmerztoleranz ist bei Rauchern erniedrigt. Deshalb sind bei den meisten untersuchten Schmerzmitteln die Dosen für Raucher höher als für Nichtraucher.

Antazida
Das Rauchen fördert die Magensäureproduktion. Deshalb sind Antazida bei Rauchern höher dosiert.

  • Folgen für die Therapie: Dosiserhöhung und Verlängerung der Therapie.

Benzodiazepine
Nikotin bewirkt eine sympathische Aktivierung. Deshalb vermindert Rauchen in dosisabhängigem Masse die sedierende Wirkung der Benzodiazepine und die Schläfrigkeit. Die Studien zur Pharmakokinetik der Benzodiazepine zeigen mehrheitlich keine signifikanten Unterschiede zwischen Rauchern und Nichtrauchern.

Betablocker
Die Freisetzung von Katecholaminen infolge der Nikotinzufuhr begünstigt eine Erhöhung des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Deshalb wirken die Betablocker bei Rauchern weniger stark als bei Nichtrauchern:Blutdruck und Herzfrequenz werden weniger gesenkt.

Östrogene/Gestagene
Das weibliche Geschlecht und orale Kontrazeptiva beschleunigen den Metabolismus von Nikotin. Rauchen übt eine anti-östrogene Wirkung aus, die auf mehreren Mechanismen beruht:

  • Hemmung der Estronsynthese – Nikotin, Cotinin und Anabasin inhibieren die Aromatisierung des 4-Androstendions;
  • Erhöhte Konzentration an 2-OH-Östradiol, einem zwar inaktiven Metaboliten, der aber dennoch die Thrombosegefahr erhöht.
  • zentral gesteuerte Verminderung der Freisetzung von Gonadotropinen;
  • Anregung des Estrogenkatabolismus mit Ausbildung von antiestrogen wirkenden Katecholestrogenen.

Die Sicherheit oraler Kontrazeptiva wird jedoch nicht beeinträchtigt. Dennoch ist Raucherinnen (vor allem ab 35 Jahren) von der Einnahme der Pille abzuraten, weil die Kombination aus Rauchen und oralen Kontrazeptiva das Risiko für thrombembolische Erkrankungen und Herzinfarkt erheblich verschärft. Bei einem Tabakkonsum von über 15 Zigaretten/Tag ist die Pille wegen des gesteigerten Risikos von schweren kardiovaskulären Wirkungen kontraindiziert.

  • Folgen für die Therapie: Raucherinnen über 35 Jahre, die zu einer Entwöhnung nicht in der Lage sind und Verhütungsmittel brauchen, sollten daher vorzugsweise niedrigdosierte Östrogen-Gestagen-Präparate (<20 µg) verwenden.

Heparin
Bei Rauchern ist die Clearance des Heparins beschleunigt und die Halbwertszeit verkürzt. Infolge der prothrombotischen Wirkung des Tabakrauchs scheint eine erhöhte Bindung von Heparin an Antithrombin III aufzutreten.

  • Folgen für die Therapie: bei dieser Patientengruppe können höhere Dosen Heparin zur Gerinnungshemmung erforderlich sein.

Insulin
Rauchen verursacht erhöhte Insulinresistenz. Zudem bewirkt Nikotin eine Konstriktion der kutanen Blutgefässe, so dass die Insulinresorption vermindert wird, insbesondere während des Rauchens und kurz danach. So ist noch eine Verringerung der Insulinresorption um 30% festzustellen, wenn die Injektion 30 Minuten nach dem Rauchen einer Zigarette erfolgt ist.

  • Folgen für die Therapie bei Rauchstopp: Diabetiker sollten den Blutzucker öfter messen und die Insulindosis bei Bedarf reduzieren.

Kortikosteroide, inhalative
Die Wirksamkeit inhalierter Korticosteroide kann bei rauchenden Asthma-Patienten eingeschränkt sein.

Neuroleptika
Viele Neuroleptika werden von Rauchern schneller abgebaut, sodass die sedative und orthostatisch hypotone Wirkung der Neuroleptika geschwächt wird.

 

Wechselwirkung mit Bupropion

Die Pharmakokinetik von Bupropion als Präparat mit verzögerter Wirkstofffreisetzung scheint bei Rauchern und Nichtrauchern vergleichbar zu sein. Bupropion wird über das CYP 2D6 metabolisiert, Bupropion und seine Metaboliten sind CYP 2D6-Inhibitoren.
Drei Sorten von Arzneimitteln können potentiell klinisch relevante Interaktionen mit Bupropion eingehen: Substanzen, die das CYP 2D6 beeinflussen; Substanzen, die über das CYP 2D6 metabolisiert werden und allgemeine Enzyminhibitoren/-induktoren.

  • Substanzen, die das CYP 2D6 beeinflussen wie Cyclophosphamid und Orphenadrin können den Metabolismus von Bupropion verändern.
  • Substanzen, die über das CYP 2D6 metabolisiert werden wie trizyklische Antidepressiva, Antipsychotika, Antiarrhythmika der Klasse 1C oder gewisse Betablocker können in ihrer Wirkung beeinflusst werden.
  • Enzyminhibitoren wie Valproat, Cimetidin und Enzyminduktoren wie Carbamazepin, Phenobarbital, Phenytoin können die Plasmakonzentration von Bupropion beeinflussen.
  • Bupropion kann die Krampfschwelle senken. Seine Anwendung zusammen mit Medikamenten, die ebenfalls die Krampfschwelle senken können, sollte mit grosser Sorgfalt erfolgen. Die Anwendung von Bupropion innerhalb von 14 Tagen nach dem Absetzen eines beliebigen MAO-Inhibitors ist kontraindiziert.

 

Wechselwirkung mit Vareniclin

Vareniclin wird unverändert renal ausgeschieden. Cimetidin hemmt die renale Elimination von Vareniclin, aber das Ausmass der Interaktion ist gering. Es sind keine signifikanten Arzneimittelinteraktionen mit Vareniclin bekannt.

 

Referenzen

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